Der EVP-Vorsitzende Manfred Weber bekräftigte beim EVP-Kongress in Bukarest die Unterstützung seiner Fraktion für eine rasche Schengen-Erweiterung. Die ÖVP macht nicht mit. Karl Nehammer erklärte nach dem Ministerrat: Im Programm sind bei einigen wichtigen Fragen „Unschärfen“. Er nannte Schengen, die Atomkraft, aber auch die Position zur Einstimmigkeit. Sollte, wie gefordert, die Einstimmigkeit beseitigt werden, könnte Österreich künftig bei der Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EU sofort überstimmt werden.

EVP-Vorsitzender Manfred Weber (Bild) befürwortet die Schengen-Erweiterung, die ÖVP ist klar dagegen.

Es sei wichtig, hier Haltung zu zeigen, unterstrich Nehammer. So sieht man das auch in der restlichen ÖVP – mit der Ausnahme von Othmar Karas.

Stocker widerspricht Weber: „Das Schengen-System ist kaputt“

EVP-Vorsitzender Manfred Weber erklärte hingegen vor Journalisten in Bukarest: „Die EVP unterstützt die vollständige Schengen-Erweiterung. Wir wollen, dass Rumänien und Bulgarien so schnell wie möglich dem Schengen-Raum vollständig beitreten.“ Ab Ende März fallen mit „Air Schengen“ die Kontrollen an den Luft- und Meeresgrenzen zwischen den EU-Staaten sowie Rumänien und Bulgarien.

ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker widerspricht Weber „Das Schengen-System ist kaputt. Wir müssen das System reparieren und dürfen es nicht schön reden.“ Als Volkspartei vertrete man klare Positionen, auch in Europa, „dazu stehen wir und davon können wir nicht abweichen.“ Neben guten Vorschlägen im Manifesto gebe es auch „einige rote Linien für uns.“ Deshalb lehne die ÖVP die von Rumänien und Bulgarien geforderte volle Aufnahme ihrer Länder in den Schengen-Raum ab.

ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker: Müssen das Schengen-System zuerst reparieren.APA/MAX SLOVENCIK

Positiv streicht Stocker hervor, dass einige Forderungen der ÖVP enthalten seien, etwa das Konzept des sicheren Drittstaates im Kampf gegen illegale Migration.

Kritik an ÖVP-Linie von Karas und NEOS-Brandstätter

ÖVP-Abgeordneter Othmar Karas weicht – einmal mehr – von der Linie seiner Partei ab. Er will dem Manifest zustimmen: „Meine inhaltlichen Positionen sind bekannt: Ich halte das Schengen-Veto für einen Fehler, es behindert auch eine sichere gemeinsame Außengrenze. Das Ende der Einstimmigkeit in Fragen der Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik wäre gerade in diesen Zeiten ein starkes Signal für mehr Handlungsfähigkeit. Und Investitionen in Forschung im Energie- und Umwelt-Sektor werden unerlässlich sein, um der Politik und Wirtschaft eine breite Auswahl an Technologien zu bieten. Atomkraftwerke bleiben für mich kein Teil der Lösung“, erklärte er in Bukarest.

Er schert aus: ÖVP-Europaabgeordnete und Erster Vizepräsident des Europäischen Parlaments Othmar Karas (Bild) wird dem EVP-Wahlprogramm zustimmen.APA/EVA MANHART

NEOS-Außenpolitiksprecher und Spitzenkandidat für die EU-Wahl Helmut Brandstätter übte scharfe Kritik an der Volkspartei: „Mit ihrer sturen Blockade zum Schengen-Beitritt Rumäniens und Bulgariens stehen Nehammer und Lopatka allein da. Rumänien und Bulgarien erfüllen seit Jahren alle Schengen-Beitrittskriterien, trotzdem werden die Fachkräfte und Pflegekräfte aus beiden Ländern an unserer Grenze weiterhin als EU-Bürger zweiter Klasse behandelt. Dieses Veto ist also leider nicht nur ein Schaden für die ÖVP, sondern ein Schaden für Österreich“, sagt er.

NEOS-EU-Spitzenkandidat Helmut Brandstätter (Bild) ist für den Schengen-Beitritt Rumäniens und Bulgariens.APA/EVA MANHART

Weber: Unterschiedliche Meinungen in EVP

Die Europäische Volkspartei (EVP), der auch die ÖVP angehört, kommt am Mittwoch und Donnerstag im rumänischen Bukarest zusammen, um ihre Spitzenkandidatin für die EU-Kommissionspräsidentschaft zu wählen und ihr Wahlprogramm zu beschließen. Das am Mittwoch von rund 2000 Delegierten aus 44 Ländern zu verabschiedende Wahlmanifest konzentriert sich laut EVP-Chef Manfred Weber auf die Stärkung von Wettbewerbsfähigkeit und Wirtschaft sowie auf die Sicherung des Friedens und die Stärkung der militärischen Kraft Europas.

Für Österreich wird Kanzler Nehammer Donnerstagmittag in Bukarest sprechen. Am Mittwoch sind Europaministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) sowie die EU-Abgeordneten Othmar Karas, Erster Vizepräsident des Europaparlaments, und Christian Sagartz anwesend, am Donnerstag kommt ÖVP-Spitzenkandidat Reinhard Lopatka dazu.

Zur angekündigten österreichischen Enthaltung meinte Manfred Weber: Die EVP sei eine breite, demokratische Partei mit unterschiedlichen Meinungen.